Migrationsgeschichte der Stadt Herne
Herne liegt inmitten des Ruhrgebiets und somit in der Mitte Nordrhein-Westfalens. Mit rund 170.000 Menschen zählt Herne zu den Großstädten im Revier. Der Bergbau hat die Stadt und ihre Menschen geprägt. Seine Spuren lassen sich heute jedoch nur noch museal verfolgen.
Die Geschichte Hernes, vor allem die Entwicklung zur Großstadt, ist eng mit dem Bergbau verbunden. Denn nur aufgrund der Kohlenzechen, die Arbeit und Einkommen versprachen, kamen Mitte des 19. Jahrhunderts und später die Menschen an die Emscher.
Im Zuge der Industrialisierung hat sich das Ruhrgebiet von einer spärlich besiedelten, ländlich geprägten Region zum dichtest besiedelten Ballungsraum Deutschlands mit einer Bevölkerung von rund 5,2 Mio. (2007) entwickelt. Als dominanter Motor prägte hierbei der Industrialisierungsgang mit seiner wechselnden Dynamik des Arbeitskraftbedarfs in Bergbau und Stahlindustrie die Entwicklung.
Die Zahl der Einwohner des Ruhrgebietes stieg von 220.000 (1816/1818) auf 2,6 Mio. (1905) und weiter auf knapp 5,7 Mio. Einwohner (1967), in nur 150 Jahren also auf das 26-fache an. Das letzte Maximum wurde 1993 mit 5,4 Mio. Einw. erreicht. In den Hellweg-Städten Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund sowie in den Städten Oberhausen, Gelsenkirchen und Herne in der Emscherzone hat dieses extreme und städtebaulich nicht zu beherrschende Wachstum zu Dichtewerten von über 2000 Einw./qkm geführt. In Herne liegt der Wert sogar deutlich über 3000 Einw./qkm!
Quelle: http://www.herne.de/kommunen/herne/ttw.nsf/id/DE_Kurzportrait
Bevölkerungsdichte im Ruhrgebiet 2006
Autorenteam, Daten des RVR 2007
Die Bevölkerungszahlen der Hellweg- und Emscherzone ließen bereits zwischen 1925 und 1940 deutliche Stagnationsanzeichen (nur um 3,3 % Gesamtzuwachs) erkennen (s. Thema "Entfaltung der Montanindustrie" in dieser Rubrik). Sie wurden dann 1950 - 1956 vom Aufbauboom der Nachkriegszeit (ca. 17 %) überdeckt, stagnierten aber bereits 1960 - 1964 wieder (1,7 %; Wiel 1970, S. 9). Viele Arbeitskräfte wanderten seit dieser Zeit mit ihren Familien aus dem Ruhrgebiet in die sich neu entwickelnden Industriestandorte u.a. im Süden Deutschlands.
Bis 1986 folgte ein allmählicher Abwärtstrend, der 1987 - 1993 nicht zuletzt vom Boom der deutschen Wiedervereinigung und vom Zusammenbruch der Ostblockstaaten erneut überformt wurde. Danach nahm die Bevölkerungszahl des Ruhrgebietes mit tendenziell größer werdenden Raten ab, ein Trend, der sich in die prognostizierte Zukunft bis 2015 fortsetzen und dramatisch verstärken wird.
Quelle: http://www.ruhrgebiet-regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/
bevoelkerung_und_arbeit/bevoelkerungsentwicklung.php?p=5,0
Ausländische Bevölkerung im Ruhrgebiet nach Herkunftsländern
Quelle: RVR-Datenbank 2008
Ende 2007 lebten im Ruhrgebiet rund 561.111 ausländische Personen, d.h. 10,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie entstammen etwa 140 verschiedenen Nationen. Die stärkste Gruppe stellt die türkische Bevölkerung mit 234.854 Personen dar.
Nach der Energiekrise von 1973 wurde die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte eingestellt. Viele Gastarbeiter holten ihre Familien nach. Der Einwanderungsstrom setzte sich nun in Form von Familien fort. Als Konsequenz stieg der Ausländerteil in den 1970er Jahren weiter an, jedoch waren hierfür auch überdurchschnittlich hohe Geburtenraten der Einwandererfamilien mitverantwortlich.
Ab 1983 führte die gezielte Rückwanderungspolitik durch das "Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft ausländischer Arbeitnehmer" bis 1987 zu einer Stagnation der ausländischen Bevölkerung (1980: 8,0 %, 1985: 7,9 %). Mit den politischen Veränderungen vor allem in Osteuropa stieg die Zuwanderung aus dem Ausland und damit der Anteil der ausländischen Bevölkerung bis 1991 zunächst auf 9,6 % und bis 2001 weiter auf 11 % an (KVR 2003a, S. 51).
Quelle: http://www.ruhrgebiet-regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/
bevoelkerung_und_arbeit/auslaender_integration.php?p=5,3
Seit mehr als fünf Jahrzehnten leben ausländische Arbeitsmigranten mit ihren Familien in Deutschland. Die meisten der klassischen Arbeitsmigranten kamen aus ländlichen und strukturschwachen Gebieten. Ihre Migration war kurzfristig geplant. Ihr Ziel war es, eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien im Herkunftsland zu erreichen. Das gesamte Leben wurde auf das Ziel der Rückkehr ausgerichtet, die Ersparnisse ins Herkunftsland geschickt und dort in Haus- und Landkauf angelegt. Von Anfang an bleiben wollte nur eine Minderheit.
Mittlerweile ist für die Meisten die kurzfristig geplante Migration zu einem Daueraufenthalt geworden. 45,6 % der in Nordrhein-Westfalen lebenden Erwachsenen mit ausländischem Pass sind mehr als 20 Jahre hier. Ihre Kinder und Enkel sind hier geboren und zu einem Teil der deutschen Gesellschaft geworden. Deutschland bildet für die meisten dieser Menschen schon längst den Lebensmittelpunkt. Viele Zuwanderinnen und Zuwanderer, auch die älteren unter ihnen, wollen auch langfristig in Deutschland bleiben. Gründe hierfür sind auch die bessere medizinische Versorgung in Deutschland, die Tatsache, dass die Kinder hier geboren und aufgewachsen sind und hier bleiben werden, die veränderten Verhältnisse in den Herkunftsländern sowie weitgehender Abbruch der meisten Kontakte.
Aus einem ehemals vorübergehenden und provisorischen Aufenthalt ist eine Einwanderung auf Dauer geworden
Quelle: http://www.mgffi.nrw.de/integration/zuwanderung/zuwanderergruppen/
Stadt Herne: Herne in Zahlen. Jahrbuch 1997, Herne 1998, S. 20a)
Das Ziel der ersten "Gastarbeiter" war es, möglichst viel Geld in Deutschland zu verdienen und nur das aller Notwendigste hier zu konsumieren, um sich in absehbarer Zeit eine eigene Existenz in der Heimat aufzubauen. Auch die deutschen Unternehmen und die deutsche Gesellschaft sahen die Arbeitsmigration als eine zeitlich befristete und fühlten sich folglich nicht verpflichtet dem aktuellen deutschen Wohnstandard vergleichbare Wohnquartiere bereitzustellen und entsprechende Integrationsangebote zu machen. Die Kehrseite dieser beidseitigen Selbsttäuschung führte u.a. in die ethnische Isolation der Ausländer und zu Ghetto ähnlichen Siedlungen. Zwar erreichten die Arbeitsmigranten nicht mehr die hohen Anteile wie bei der Einwanderung der Ruhrpolen (Ende 1972 war "nur" ein Viertel der Belegschaft der Zeche Friedrich der Große türkischer Herkunft), aber die Verslumung ganzer Straßenzüge und Siedlungen sowie die sozial-räumliche Segregation ("Klein-Istanbul") waren nicht zu übersehen. Die vorangegangenen Wirtschaftskrisen in Deutschland (die erste war 1967) machten deutlich, dass keine weiteren geringqualifizierten Arbeitskräfte mehr benötigt wurden. Vor die Wahl gestellt, entweder für immer die Bundesrepublik zu verlassen oder zu bleiben, entschied sich der größere Teil der Nicht-EU-Bürger für ein Verbleiben in Deutschland. Im Rahmen der nun folgenden Familienzusammenführungen veränderte sich auch das Konsumverhalten bei den Ausländern: Der Wunsch nach Rückkehr in die Heimat tritt immer mehr in den Hintergrund und der Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz in Deutschland bestimmt das Leben der zweiten und folgenden Generationen. Über den Weg der wirtschaftlichen Selbstständigkeit und der besseren Bildungsabschlüsse der Kinder und Enkelkinder wird auch die sozial homogene Arbeiterschicht der ersten Generation aufgebrochen. Es kristallisiert sich eine gebildete Mittelschicht sowie eine kleine vermögende Oberschicht heraus. Die Folge dieser Ausdifferenzierung ist auch ein Anspruchsdenken auf einen höheren Wohnstandard, mehr Bildung und Privateigentum: Ausländer kaufen sanierungsbedürftige Altbauten, die auf dem Immobilienmarkt preiswert erworben werden können, und sanieren diese teils in Eigenhilfe oder erwerben bereits modernisierte Reihenhäuser.
Quelle: http://trh.bkherne.de/wandeu/huehnerleiter_index.htm